Mariazeller Verein Reindorf:
Die Reindorfer Tischgemeinschaft: Kurzfassung der Chronik (Erwin Matl)
Die Pfarrkirche Reindorf zur Zeit der Gründung des Mariazellervereins
Man schrieb das Jahr 1880. Reindorf war noch sehr wenig ausgebaut. In der Prinz-Carl-Gasse (später Oelweingasse) stand die
alte Schule, in der Schwendergasse das berühmte Schwenderkolosseum mit dem „Rauchtheater“, wo Girardi seine Laufbahn
begonnen hatte. Und mitten darin stieg der 33,05 Meter hohe Kirchturm unserer Pfarrkirche empor, die am 10. Juni 1784 vom
Baumeister Adelbodinger zu bauen begonnen und nach 5 Jahren vollendet wurde. 40.000 Gulden betrug der Kostenaufwand für
Kirche und Pfarrhof. 1862 wurde das Seitenschiff hinzugebaut. - Die Pfarre leitete damals H.H. geistl. Rat Franz Peppert, der
sich damit abfinden musste, dass im Jahr 1878 die Zuschüsse der Gemeinde Rudolfsheim für Fronleichnam und für die jährliche
Wallfahrt eingestellt wurden.

Bild: 125 Jahre Vereinsfeier
Die Reindorfer Tischgesellschaft als Vorläufer des Mariazellervereins
Es war offensichtlich eine Zeit des Umbruchs, als im Jahre 1878 die bisher gewährten finanziellen Zuschüsse der Gemeinde
Rudolfsheim an die Pfarre Reindorf für die alljährliche Mai-Wallfahrt nach Lanzendorf gestrichen wurden und diese Wallfahrt
somit aufgegeben wurde.
Aber schon 2 Jahre später, also 1880, hatte sich eine Reindorfer Tischgesellschaft gebildet, unter dem Vorsitz des Haus- und
Fuhrwerksbesitzers Leopold Grestenberger. Diese hatte sich zur Aufgabe gestellt, jährlich eine Wallfahrt nach Mariazell
zu unternehmen. Dieser Entschluss der Tischgesellschaft stützte sich vor allem auf folgendes Ereignis:
Am 12. August 1880 begann eine Wallfahrt der Lazaristenkirche nach Mariazell. Bis Lilienfeld wurde gefahren,
von da an zu Fuß nach Mariazell weitergegangen. Weil von Reindorf aus bereits erwähntem Grund keine Wallfahrt mehr
unternommen wurde, schlossen sich auch ungefähr 70 Personen der Pfarre Reindorf dieser Wallfahrt an. Die Reindorfer
stellten dabei auch zwei Vorbeter. In Lilienfeld war bereits durch vier Wochen Regenwetter und auch am Tag der
Ankunft unserer Wallfahrer ging ein starker Wolkenbruch nieder, so dass das Wasser beim Aussteigen bis zu den
Knöcheln reichte. Trotzdem begann man mit dem Fußmarsch. Die Traisen ist aus ihrem Bett getreten und hat große
Wellen geworfen. 30 Personen stiegen auf einen Leiterwagen und hielten einander fest, damit sie von den Wellen
nicht fortgerissen werden konnten. Es kam zu panikartigen Reaktionen. Man musste den Wagen wieder verlassen,
weil die Straße immer stärker überflutet wurde. Nach und nach wurden alle 70 Reindorfer auf den Berghang hinaufgezogen,
bis alle oben standen und nicht ein und aus wussten. Das Wasser stand nun bereits so hoch, dass es den Pferden bis
zum Bauch reichte, die Wagen hob und ein Weiterfahren unmöglich machte. Ein junger Bursch zeigte den Wallfahrern
den Weg, die nun im Wasser bis nach Türnitz wateten. Der Lärm des tosenden Wassers war so groß, dass man
seiner eigenen Stimme nicht gehört hatte. Mit einem Stock musste die Tiefe des Wassers abgeschätzt werden, bevor
man einen Schritt weiter machen konnte. Erst nach langem, mühsamem Wandern gelang es, auf den Annaberg zu
kommen. - In Reindorf selbst hielt man die Wallfahrer selbst bereits für verloren, aber wie durch ein Wunder
sind alle wieder wohlbehalten heimgekommen. Aus Dankbarkeit dafür entstand der Gedanke, aus der Pfarre Reindorf
selbst eine Prozession nach Mariazell zu führen.
Gleichzeitig beschlossen die 70 Teilnehmer, ein Votivbild zur Erinnerung an die Errettung aus dieser Wasserflut der
Pfarre Annaberg zu spenden. Das Bild wurde auf Leinwand gemalt, aber, da die Kirche feucht war, wurde
dieses bald schadhaft und durch ein neues, auf Blech gemaltes Bild ersetzt. Signiert ist dieses Bild von R. Schwetz
mit dem Datum 1. März 1883. Dieses Bild wurde zunächst im Presbyterium rechts vom Altar angebracht. Später
wurde der Rahmen morsch und das Bild zur Seite gestellt. Bei der Wallfahrt im Jahre 1934 wurde beschlossen, den
Rahmen zu er-neuern und im Jahre 1935 konnte das Bild wieder im Presbyterium der Pfarre Annaberg angebracht
werden. Diese Votivgabe aus Reindorf ist auch heute noch im Seiteneingang der Kirche, der allerdings nur am Sonntag
geöffnet wird, in erstaunlich gutem Zustand zu sehen.
Im Jahre 1881 fand also bereits die Wallfahrt direkt aus Reindorf statt, mehrere hundert Personen nahmen daran teil.
Aus dieser Zeit stammt auch das Wallfahrerkreuz.
Die Tischgesellschaft selbst dürfte ungefähr 20 Mitglieder umfasst haben. Darunter waren auch der Mehlmeister
Leopold Hatzinger, der später das Ansuchen um einen Verein an die Statthalterei stellte und der 1. Obmann
des Mariazellervereins wurde sowie der Schweinehändler und Hausbesitzer Ritter v. Amirowitsch, der
später ein kleines Kabinett für die Aufbewahrung aller Vereinsgegenstände zur Verfügung stellte.
Die Wallfahrten in der damaligen Zeit waren sehr gut besucht, fast gegen 400 Personen nahmen daran teil. Man
fuhr nach dem Besuch einer heiligen Messe, begleitet von einem Priester, der aber nicht immer von der
Pfarrgeistlichkeit war, über St. Pölten nach Lilienfeld. Der Fahrpreis betrug hin und zurück zirka 4 Gulden 50 Kreuzer.
Gegen 11 Uhr traf man dort ein und wohnte einer heiligen Segensmesse bei. In Lilienfeld wurde Mittagsrast gehalten,
zum Teil im Gasthof, zum Teil hatten die Wallfahrer selbst Proviant mit. Besonders „Gutgestellte“ konnten sich
auch ein Gläschen Wein im Stiftskeller leisten. Gegen 12 Uhr 30 begann der Aufbruch. Von da an ging es zu Fuß
nach Mariazell. Ältere Personen hatten die Möglichkeit, mit Stellwagen von Lilienfeld nach Mariazell und zurück
zu fahren. Die Fußwallfahrer kamen gegen 3 Uhr nach Lehenrot, wo im kleinen Kirchlein der heilige Segen abgehalten
wurde. Von da ging es in die Nachtstation Türnitz. Gegen 19 Uhr kam man hier an. Schon zeitig in der Früh um 3 Uhr
ging die Reise weiter. An den Fahnenstangen wurden, da es noch finster war, Laternen befestigt, die den Wallfahrern
den Weg beleuchten sollten. Um 5 Uhr früh war man bei den Sieben Bründln. Dort standen schon die Landweiber;
in großen geflochtenen Körben boten sie aufgestrichene Butterbrote um 5 Kreuzer an, aber auch ein Dirndlschnaps
oder ein Kirschener wurde empfohlen. Nach altem Brauch hielt der Vorbeter an die Wallfahrer eine Ansprache. Von
den Sieben Bründln ging es auf den Annaberg, dort wohnte man um 8 Uhr einer Heiligen Messe bei. Über den
Josefs- und Joachmisberg kam man zur steirischen Grenze. Weil die Gegend so herrlich schön war, durften sich die
Wallfahrer als Buße vom Annaberg ab nicht umsehen. Hier an der steirischen Grenze gab es auch für die, welche
zum erstenmal die Wallfahrt mitmachten, einen alten Brauch, die sogenannte „Taufe“. Eine Triumphpforte primitivster
Art wurde hier errichtet, der Erstling musste hier durch und wurde vom Göd, der ihm bestimmt wurde, mit Rutenzweigen
entweder sanft oder auch unsanft an den Einzug erinnert. Dafür musste der Göd an der steirischen Grenze eine Art Grieskoch
zahlen. Singend und betend kam man dann nach Mitterbach; hier wurde Mittagsrast gehalten und von da kam man gegen
18 Uhr in Mariazell an. Erst wurde hier das Nachtquartier gesucht, alles gereinigt, geputzt, gewaschen und dann vom
Armenhaus der Einzug gehalten. In Mariazell blieb man danach einen ganzen Tag. Am übernächsten Tag um halb sieben Uhr
früh wurde derselbe Weg nach Lilienfeld zurückgelegt und von da per Bahn nach Wien gefahren. In Reindorf wurde der
Einzug gehalten und am kommenden Sonntag die Dankwallfahrt nach Kalksburg - wieder zu Fuß - unternommen.
Diese Form des Wallfahrens war aber eine bereits vereinfachte, denn ursprünglich wurde die Wallfahrt schon ab Wien zu Fuß zurückgelegt.
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